Schutz der Landschaft und der Natur, auch ein liberales Anliegen?

28.03.22

Für Kurt Fluri, FDP-Nationalrat und Mitglied des Initiativkomitees der Landschaftsinitiative, ist der Schutz der Landschaft und der Natur auch ein liberales Anliegen, weil sie nachhaltige Ziele seien. Als Stadtpräsident von Solothurn hat Kurt Fluri in diesem Sinn 28 Jahre gewirkt. Doch lokales und regionales Engagement nützten allein nicht genug, um den Trennungsgrundsatz Baugebiet / Nichtbaugebiet durchzusetzen. Deshalb engagiert er sich im Initiativkomitee der Landschaftsinitiative für einen Verfassungsartikel.

Kurt Fluri

Kurt Fluri, Nationalrat FDP, Mitglied des Initiativkomitees der Landschaftsinitiative

Sie haben als Ort für unser Interview den Blick auf den Weissenstein gewählt, Kurt Fluri. Warum?  

Kurt Fluri: Der Weissenstein ist nicht nur der „Hausberg“ der Solothurnerinnen und Solothurner, sondern auch ganz persönlich mein Lieblingsort auf dem Jura. Der Aufenthalt an dieser einmaligen Lage im Jurabogen mit der prächtigen Aussicht – bei klarer Sicht vom Montblanc bis zum Säntis –, mit der grossen, dreieckigen Weide („Göiferlätsch“), dem Hotel Kurhaus und der Seilbahn sind für mich jedes Mal ein Genuss und mit unzähligen Erinnerungen verbunden. Am liebsten besteige ich den Weissenstein zu Fuss via den wunderschönen Wanderweg „Stiegenlos“. 

Sie waren bis Oktober 2021 Stadtpräsident von Solothurn. Wie hat sich die Landschaft in Ihrer Region verändert? 

Das Siedlungsgebiet hat sich natürlich auch in der Stadt und in der Region Solothurn ausgebreitet. Die vielen Wälder sind allerdings – abgesehen von „Lothar“ – ein Garant dafür, dass doch noch grosse Gebiete unüberbaut blieben und auch unüberbaubar bleiben werden. Der Jura selbst befindet sich glücklicherweise seit 1942 (!) in der vom Solothurner Regierungsrat weitsichtig und pionierhaft beschlossenen Juraschutzzone, die 1962 sogar noch erweitert wurde. Damit bleiben Bauten und Anlagen in diesem Gebiet weitestgehend unzulässig – im Prinzip eine konsequent umgesetzte, scharfe Trennung Baugebiet / Nichtbaugebiet, wie es unsere Initiative im Grunde auch will. Eine Ausnahme bilden – leider – die im Richtplan vorgesehenen Windkraftanlagen. 

Warum ist die Trennung Bau- und Nichtbaugebiet so wichtig?

Zersiedelung heisst auch Versiegelung des Bodens und damit Beeinträchtigung von Fauna und Flora. Biodiversität braucht minimale Flächen, die von Art zu Art variieren, um sich erhalten zu können. Ohne diese veröden Landschaften auch bei bloss schwacher Nutzung. Bodenschutz ist aber auch Klimaschutz. Intakte Ökosysteme, gesunde Böden und Artenvielfalt ist hierfür ebenfalls wichtig, nicht nur die Senkung der Treibhausgasemissionen. Und schliesslich ist die konsequente Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet natürlich auch ein raumplanerisches Erfordernis. Für mich und vermutlich für viele Menschen ist eine weite freie Fläche, begrenzt bloss durch Wald oder Berg, eine Augenweide. In der Schweiz ist es, zumindest im Mittelland, kaum mehr möglich, solche Landschaften zu geniessen. 

Ist die Initiative der richtige Weg? 

Der Grundsatz der Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet wird heute nicht umgesetzt. Die an sich klare Bestimmung im Raumplanungsgesetz ist vom Parlament und durch die Praxis der Kantone immer mehr verwässert worden, so dass sich heute gegen 40 Prozent aller schweizweit bebauten Flächen ausserhalb der Bauzonen befinden! Dieser rechtsstaatlich unhaltbare Zustand schreit geradezu nach einer Korrektur.  

Würde es nicht genügen, auf kantonaler, regionaler oder sogar kommunaler Ebene für den Landschaftsschutz einzutreten?

Da die zahlreichen Ausnahmen vom Trennungsgrundsatz trotz klarer bundesrechtlicher Formulierung zugelassen werden, bleibt nur der Weg über eine eidgenössische Verfassungsinitiative. 

Sie sind Mitglied der FDP Schweiz. Ist der Landschaftsschutz eine Frage des politischen Spektrums? 

Landschafts- und Naturschutz sind eigentlich auch liberale Anliegen, weil sie nachhaltige Ziele sind. Bloss stehen diesen Zielen oft kurzfristigere wirtschaftliche Ziele entgegen, und so obsiegt das Bedürfnis nach wirtschaftlicher Nutzung leider häufig gegenüber demjenigen nach Erhalt und Schutz im langfristigen Interesse. Ich bedaure das sehr, besteht damit doch die Gefahr, dass sich grundsätzlich Gleichgesinnte verzetteln. Es muss bspw. gelingen, die Wasserkraft dort vermehrt zu nutzen, wo bereits entsprechende landschaftsbeeinträchtigende Eingriffe vorgenommen worden sind. Der Bau von Windkraftanlagen an exponierten Standorten wie auf der ersten Jurakette ist ferner in Anbetracht der geringen und ungleichmässig anfallenden Energieernte zu unterlassen. Damit wird dem unermesslichen Wert eindrücklicher oder gar einmaliger Landschaften Rechnung getragen. 

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