Die Biodiversität leidet unter dem Siedlungsdruck

31.05.22

Es versteht sich von selbst, dass sich Sarah Pearson Perret, Biologin und Leiterin der Geschäftsstelle Romandie von Pro Natura, stark für die Biodiversität und die Schweizer Landschaft interessiert und einsetzt. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich mit Naturschutz – sie war während zehn Jahren Leiterin der Sektion Arten und Lebensräume im Bundesamt für Umwelt und teilt mit uns ihre Analyse zum Zustand der Natur in der Schweiz und zu den engen Zusammenhängen zwischen Biodiversität und Landschaftsschutz.   

Sarah Pearson Perret

Sarah Pearson Perret, Leiterin der Geschäftsstelle Pro Natura Romandie und Mitglied des Initiativkomitees  

Sarah Pearson Perret, an welchen Orten, in welchen Landschaften können Sie auftanken? 

In meinem kleinen Garten kann ich mich gut erholen und neue Kräfte tanken. Er ist sehr wild. Ich werde nicht müde, all die Pflanzen und Tiere zu beobachten, die in ihm leben und oder ihn besuchen. Offene Landschaften wie der Jura oder Seenlandschaften ziehen mich besonders an. 

Wie sehen Sie als Biologin den Zusammenhang von Biodiversität und Landschaftsschutz? 

Das kommt darauf an, von welchen Landschaften wir sprechen. Naturlandschaften spiegeln die Natur, die sich in ihnen befindet. Der Zusammenhang ist dort sehr stark. Bei vom Menschen geprägten Landschaften besteht der Zusammenhang ebenfalls, ist aber weniger ausgeprägt. Wenn wir eine Stadtlandschaft nehmen, ist die Biodiversität nicht unbedingt das prägende Element, aber es ist klar, dass eine Stadtlandschaft mit Bäumen für die Bewohnerinnen und Bewohner eine andere Qualität hat.  

Wie steht es um die Biodiversität in der Schweiz und speziell in der Romandie? 

Um die Biodiversität steht es schlecht in der Schweiz. In der Romandie haben wir das Glück einer ausserordentlichen Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Aufgrund ihrer exponierten Lage und der Besonderheit ihrer Böden sind der Jurasüdfuss und das Wallis wahre Hotspots der Biodiversität. Doch wie überall in der Schweiz stehen sie unter Druck. Sie leiden besonders unter der Stadtentwicklung und dem Druck des Menschen. 

Die Schweiz erfreut sich jedoch einer großen touristischen Anziehungskraft, hauptsächlich wegen ihrer Landschaften. Warum ist der schlechte Zustand der Biodiversität in unseren Landschaften nicht offensichtlich? 

Das stimmt nicht. Wenn man eine Landschaft als Biologin betrachtet, kann man ihre biologische Qualität recht leicht erkennen. Die Schattierung des Grüns von Grasland ist ein guter Indikator für die Qualität. Je satter das Grün, desto geringer die biologische Vielfalt. Je mehr Hecken, Wallhecken und verschiedene Kulturen die Landschaft durchziehen, desto artenreicher wird sie sein. Leider sind unsere Landschaften oft ein sattes Grün ohne Strukturen… Ich kann die Landschaft lesen, weil ich dafür ausgebildet wurde. Hingegen ist es sicher so, dass viele Menschen eine grüne Landschaft für eine Landschaft von guter Qualität halten. 

Welche Lösungen gibt es, um qualitativ hochstehende Landschaften in der Schweiz zu gewährleisten? 

Unsere Landschaften sind zu einem großen Teil vom Menschen beeinflusst oder sogar geformt. Von Menschenhand geschaffene Infrastrukturen wie Städte, Dörfer, Straßen, Eisenbahnen, Bergbahnen usw. säumen fast das gesamte Gebiet der Schweiz. Der Bau von Infrastrukturen außerhalb der Bauzonen muss unbedingt gestoppt werden, da diese Infrastrukturen die Landschaft weiter fragmentieren und die Tier- und Pflanzenpopulationen voneinander isolieren. 

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