Formeller Rückzug und tatkräftige Weiterarbeit 

15.2.2024

Der Rückzug der Landschaftsinitiative wird heute definitiv, da der Gegenvorschlag – das teilrevidierte Raumplanungsgesetz RPG 2 – in Kraft treten kann. Die Trägerverbände der Initiative setzen ihre Zusammenarbeit im Interesse des Landschaftsschutzes fort, um die Umsetzung der neuen Gesetzesartikel in Bund und Kantonen genau mitzuverfolgen.

Das Initiativkomitee hatte im Oktober 2023 beschlossen, die Landschaftsinitiative unter der Bedingung zurückzuziehen, dass das teilrevidierte Raumplanungsgesetz (RPG 2) angenommen wird. Am heutigen 15. Februar ist die Referendumsfrist des RPG 2 ungenutzt abgelaufen und der Rückzug der Initiative ist damit ebenfalls definitiv. Wann das am 29. September 2023 vom Parlament angenommene RPG 2 in Kraft tritt, bestimmt der Bundesrat.

Stabilisierungsziel als Hauptgewinn
Die 2020 eingereichte Initiative vermochte während des langen parlamentarischen Prozesses zahlreiche Bestimmungen zu beeinflussen. Insbesondere fand das übergeordnete Anliegen der Initiative, nämlich dem uferlosen Bauen ausserhalb der Bauzonen klare gesetzliche Grenzen zu setzen, Eingang ins revidierte Raumplanungsgesetz: Neu werden darin die Stabilisierung der Anzahl Gebäude im Nichtbaugebiet sowie die Stabilisierung der Bodenversiegelung in der ganzjährig bewirtschafteten Landwirtschaftszone als klare Ziele statuiert. Nur gut begründete Ausnahmen bleiben möglich.
Entscheidend ist nun allerdings, in welcher Art und Weise der Bund, vor allem aber die Kantone, die im Gesetz vorgesehenen Instrumente und Massnahmen anwenden. Die Einhaltung des Trennungsgrundsatzes und der beiden Stabilisierungsziele ist dabei die zwingende Vorgabe.

Umsetzung unter genauer Beobachtung
Die Träger- und Partnerorganisationen der Landschaftsinitiative werden nun genau beobachten, wie die Kantone ihre Richtpläne innerhalb der gesetzten Frist von 5 Jahren mittels eines «Gesamtkonzepts» an die neuen Ziele anzupassen gedenken. Die Anforderungen daran müssen hoch sein. Ein besonderes Augenmerk werden die Verbände auf die Handhabung der neuen Möglichkeit richten, ausserhalb der Bauzonen so genannte «Sonderzonen» – also eigentlich: Bauzonen im Nichtbaugebiet – einzuführen. Die im Gesetz festgehaltenen Rahmenbedingungen zugunsten von Landschaft, Biodiversität, Siedlungsstruktur und Baukultur müssen unbedingt eingehalten werden. Auch Massnahmen wie Abbruchprämien für nicht mehr gebrauchte Gebäude, Umnutzungen alter Landwirtschaftsgebäude und Umbauten alter Hotels und Restaurants ausserhalb der Bauzonen sind im Sinne der Stabilisierungsziele und des Trennungsgrundsatzes anzuwenden.

Weiterarbeit zugunsten von Landschaft und Baukultur
Als erste Etappe wird nun die Vernehmlassung der revidierten Raumplanungsverordnung erwartet, dann die Umsetzung des RPGII in den Richtplänen der Kantone. Die Träger- und Partnerorganisationen organisieren sich gemeinsam, um die Weiterarbeit im Bereich von Raumplanung, Landschaftsschutz und Baukultur im Sinn und Geist der Landschaftsinitiative fortzusetzen.

Kontakte:

Trägerverein Landschaftsinitiative und Pro Natura: Urs Leugger-Eggimann, Geschäftsleiter Pro Natura, Präsident Trägerverein, Tel. 079 509 35 49

Stiftung Landschaftsschutz Schweiz: Raimund Rodewald, Geschäftsleiter, Tel. 079 133 16 39

Geschäftsleiterin Landschaftsinitiative: Elena Strozzi, Tel. 079 555 33 79

Zitate

«Wir haben die Landschaftsinitiative 2019 aus der Besorgnis heraus lanciert, dass die Revision des Raumplanungsgesetzes noch mehr Ausnahmen schaffen würde, um Bauen in der freien Landschaft zu ermöglichen. Wir wollten das entscheidende Erfolgsprinzip der Schweizer Raumplanung retten, dass Bau- und Nichtbaugebiet zu trennen sind. Mit viel Überzeugungsarbeit hat die Landschaftsinitiative erreicht, dass nun auch im Parlament unbestritten war, das Bauen im Nichtbaugebiet insgesamt zu begrenzen. Es ist uns bewusst, dass wir die Umsetzung mit voller Aufmerksamkeit mitverfolgen müssen, um zu gewährleisten, dass das Gesetz wirklich im Interesse von Natur und Landschaft ausgelegt wird.»

Urs Leugger-Eggimann

Präsident des Trägervereins, Zentralsekretär Pro Natura

«Viele Menschen sind naturverbunden. Und doch fehlt das Bewusstsein in der breiten Bevölkerung, wie kritisch die Lage für die Biodiversität in unserem Land ist. Umso wichtiger ist es, dass die Aufwertung der “Biodiversität” nun endlich auch im Raumplanungsgesetz als Bedingung aufgenommen wird, um künftige Ausnahmen beim Bauen ausserhalb der Bauzone zu beurteilen. Damit sollen unsere freien Landschaften vor weiterer Zersiedelung und Zerschneidung verschont werden. Der Zustand der Landschaft als Lebensraum ist entscheidend für das weitere Schicksal der Biodiversität, unserer Lebensgrundlage.»

Suzanne Oberer

Präsidentin BirdLife Schweiz

«Der Schweizer Heimatschutz hat sich mit der Landschaftsinitiative stark engagiert, um den Wert des kulturellen Erbes in unserer Landschaft anzuerkennen und zu schützen. Es ist sehr wichtig, dass Baukultur nun erstmals als Qualitätskriterium im Raumplanungsgesetz figuriert. Wir werden auch jene Teile des RPG2 genau überwachen, die uns Sorge bereiten – etwa die Gefahr der vermehrten Umnutzung von Ställen zu Ferienhäusern. Das RPG2 darf auch nicht dazu führen, dass erhaltenswerte, für das Landschaftsbild charakteristische kleinere Bauten abgerissen werden, um Neubauten zu rechtfertigen.»

Martin Kilias

Präsident des Schweizer Heimatschutzes

«Nach fast zehn Jahren Diskussion haben wir endlich erreicht, dass Bauen ausserhalb der Bauzone zwar nicht gestoppt, aber doch deutlich begrenzt wird.
Ganz wesentlich ist, dass das RPG2 bei den vielen Ausnahmen – insbesondere für landwirtschaftliche und touristische Bauten – einige wichtige Mechanismen der Landschaftsinitiative übernimmt: Neue Sonderzonen, Umbauten und Neubauten ausserhalb des eigentlichen Baugebiets müssen zu einer «Verbesserung der Gesamtsituation» führen.
So sind etwa neue oder vergrösserte Bauten in einer bereits gut erschlossenen Zone denkbar, wenn dafür frühere, nicht erhaltenswerte Gewerbehallen entfernt werden. Oder ein Wiederaufbau zerfallender Maiensässe wäre möglich, wenn damit denkmalschützerisch gute Lösungen und eine verbesserte Landschaftspflege einhergehen.
Wir werden in jedem Fall darauf achten, dass die Aufwertungsmassnahmen für Siedlungsstruktur, Landschaft, Biodiversität und Baukultur auch wirklich umgesetzt werden.»

Raimund Rodewald

Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz

«Mit der Landschaftsinitiative haben wir erreicht, dass ein Parlament, das für Anliegen des Naturschutzes und der Biodiversität wenig Gehör hatte, einen Gegenentwurf erarbeitet hat. Das einstimmige Votum für das RPG2 zeigt, dass es dies ein Kompromiss aller Kräfte ist – aber es zeigt auch die Fähigkeit der Politik, sich auf gemeinsame Punkte zu einigen. Das Gesetz ist nicht perfekt, aber es weist für uns positive Punkte auf wie z.B. das Stabilisierungsziel. Es ist ein Erfolg, der viel Engagement und Kreativität erfordert hat. In diesem Geist muss auch die Umsetzung durch die Verwaltung erfolgen: Die nun im Gesetz verankerten Inhalte der Initiative müssen auch nach deren Rückzug Beachtung finden.

Ursula Schneider Schüttel

Präsidentin Pro Natura

«In den fünf Jahren seit der Lancierung der Landschaftsinitiative haben wir regelmässig Rückmeldungen von Personen erhalten, die den Verlust von Natur und Landschaft durch die Verbetonierung unserer Böden bedauerten. Die Sorge um die Erhaltung einer intakten Landschaft ist in der Bevölkerung sehr präsent. Sie hat dies in früheren Volksabstimmungen, Aktionen und als Mitglieder unserer Organisationen immer wieder bekräftigt. Der Geist der Landschaftsinitiative wird auch nach ihrem Rückzug weiterleben; wir werden in diesem Sinne weiter für einen respektvollen Umgang mit unseren Landschaften eintreten.

Elena Strozzi

Geschäftsleiterin Landschaftsinitiative

Die 2020 eingereichte Landschaftsinitiative verlangte, unsere Landschaften und fruchtbaren Böden gegen das überbordende Bauen ausserhalb der Bauzonen schützen. Trägerorganisationen der Initiative waren Pro Natura, die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, BirdLife Schweiz, der Schweizer Heimatschutz, der VCS und Casafair.
In der Schweiz machen die Bauten im Nichtbaugebiet fast 40% der total bebauten Fläche aus. In den letzten vier Jahren kamen 23’000 neue Gebäude ausserhalb der Bauzonen dazu.
Das teilrevidierte Raumplanungsgesetz wurde als indirekter Gegenvorschlag (Geschäft 18.077) zur Initiative angenommen. Das Parlament hat das RPG2 am 29. September 2023 einstimmig verabschiedet.

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